Im Jahr 1895 wurde auf der Hangseite des Fachinger Wegs der Neue
jüdische Friedhof angelegt. Der Alte Friedhof auf dem Gelände des
heutigen Finanzamts war zu diesem Zeitpunkt vollständig belegt, und
bestehende, auch sehr alte Grabstätten durften gemäß den jüdischen
Vorschiften zur Totenruhe nicht aufgehoben und neu vergeben werden.
So
war der Neue Friedhof als Ort für die Bestattungen vieler folgender
Jahrzehnte vorgesehen. Schon 1908 aber gab es ein erstes Vorzeichen für
das, was später folgen sollte: In den Weihnachtstagen wurden vier
Grabsteine umgeworfen und zum Teil zertrümmert. Die Täter hatten es
besonders auf die Zerstörung der Inschriften abgesehen. Sie wurden
ausfindig gemacht, jedoch ist nichts über Bestrafungen bekannt. Selbst
die jüdische Zeitschrift „Der Israelit“ bewertete damals die
Grabschändung als eine Tat von „übermütigen Burschen“. Relativierende
Kommentare dieser Art kommen uns inzwischen wieder bekannt vor.
Dreißig Jahre später allerdings gab es keinen Spielraum mehr für eine verharmlosende Interpretation erneuter Grabschändungen. Im Zuge der antijüdischen Ausschreitungen am 9. November 1938 wurde nicht nur die Diezer Synagoge verwüstet, sondern auch der Neue jüdische Friedhof wieder geschändet. Die Grabsteine wurden gezielt mit grobem Werkzeug angegangen. Einige wurden umgeworfen – und anschließend vom Bürgermeister zum Verkauf angeboten –, andere wurden ausgerissen, zerschlagen und den Abhang zur Bahn hinuntergeworfen. Von den Steinen zu den 59 Gräbern ist heute kaum mehr als die Hälfte vorhanden. Bruchstücke sind noch immer unterhalb des Friedhofs zu finden.
Ein
solches Grabsteinfragment ist im Juni im Museum im Grafenschloss zu
sehen. Die Reste der Inschrift lassen hebräische Schriftzeichen
erkennen. Damit zählte der Grabstein wohl zu den älteren Exemplaren des
Friedhofs, denn die jüngeren Steine hatten überwiegend deutsche
Beschriftungen.
Jens Reutzel, Alfred Meurer