Nach 1900 begann die Elektrizität, immer weitere Gebiete des Alltaglebens zu erobern. Auch in die Welt der Kinder- und Gesellschaftsspiele hielt sie bald Einzug. Zu den frühen Beispielen dafür gehört ein 1910 der Öffentlichkeit vorgestelltes, über viele Jahre hinweg erfolgreiches Wissensspiel mit dem Namen Lichtra.
Es besteht aus einer Klappschachtel, auf dessen Einlegeplatte eine kleine Glühlampe und 40 wie Druckknöpfe aussehende elektrische Kontakte montiert sind. Dazu gehören zwei Kabel mit Steckern und mehrere Serien von starken, in der Anordnung der Kontaktknöpfe gelochten Pappblättern zum Auflegen. Auf der linken Seite der Blätter steht bei jedem Loch eine Frage und irgendwo auf der rechten die passende Antwort. Zum Überprüfen der Zusammengehörigkeit müssen die Kontakte von Frage und Antwort gleichzeitig mit den Steckern berührt werden. Stimmt die Antwort, dann schließt sich ein Stromkreis von der Batterie zur Lampe und diese leuchtet auf.
In Bezug auf die Inhalte der Fragen und auf die Verwendung eines elektrischen Stromkreises ist Lichtra ein rationales und modernes Spiel. Aber die elektrischen Leitungen sind versteckt, so dass unbefangene Spieler mehr dahinter vermuten könnten als eine einfache Drahtverbindung. Dementsprechend wird es auf dem Deckelbild mithilfe stereotyper Orientmotive als Zauberei präsentiert: Im Hintergrund sieht man Türme mit Zwiebeldächern und eine Moschee, vorn einen Stein mit unleserlichen Schriftzeichen und einen weißbärtigen Derwisch der mit einer Armbewegung aus großer Ferne eine Lampe hervorzaubert. Es sind damals gängige Vorstellungen vom märchenhaften, fremden Orient, die dazu herhalten mussten, Lichtra als Zauberspiel zu inszenieren.
Das Spiel ist eine kürzlich erworbene Schenkung. Wie einige weitere Gegenstände, stammt es aus dem Haushalt der Freiendiezer Lehrerfamilie Mohr.